Wie lässt sich die Qualität von Wanderangeboten stärken? 2002 entwickelte der Deutsche Wanderverband (DWV) in Kooperation mit dem Deutschen Tourismusverband einen Leitfaden zu diesem Thema. Es war die Geburtsstunde der Qualitätsinitiative „Wanderbares Deutschland“, die heute neben Wanderwegen auch gastgebende Betriebe und ganze Regionen umfasst. Auch im Vereinsgebiet des Schwäbischen Albvereins gibt es zahlreiche Wanderwege mit dem Qualitätssiegel „Wanderbares Deutschland.
359 „Qualitätswege Wanderbares Deutschland“ sind es deutschlandweit mittlerweile auf einer Gesamtlänge von fast 15.000 Kilometern. Auch einige Albvereins-Wege sind als Qualitätswege zertifiziert. Dazu gehören unter anderem zwei Fernwanderwege, nämlich der Schwäbische Alb-Nordrandweg (HW1, Albsteig) und der Albschäferweg, sowie der Gustav-Strömfeld-Weg, eine 21 Kilometer lange Streckenwanderung am Albtrauf von Metzingen nach Neuffen. Wer hier wandert, genießt abwechslungsreiche Landschaften, verlässliche Markierungen und naturbelassenen Untergrund.
Kriterien für Zertifizierung
Zertifizierte Wege müssen bestimmte Kriterien erfüllen, die alle drei Jahre von Mitarbeitenden des Deutschen Wanderverbands überprüft werden. Wie attraktiv ist die Landschaft? Eine abwechslungsreiche Natur gehört nämlich dazu. Wie ist die Wegeführung? Es sollten in großen Teilen naturnahe Wege begangen werden. Ist das Wanderleitsystem schlüssig? Die Markierung muss verlässlich sein, keiner darf unterwegs verloren gehen. Gibt es kulturelle Höhepunkte? Burgen, Schlösser, geschichtliche Orte sind ein Plus. Und zuletzt: Kann man unterwegs einkehren oder übernachten? Gibt es einen ÖPNV-Anschluss und Wanderparkplätze? Auch das macht Wanderungen attraktiv. Regionale Besonderheiten werden dabei immer berücksichtigt.
Bei den höchstens zehn Kilometer langen, besonders familienfreundlichen Wegen gelten besondere Kriterien. Sie dürfen höchstens 300 Meter am Stück gerade verlaufen und müssen Kindern alle zwei Kilometer naturnahe Spielmöglichkeiten ermöglichen. Neben diesen familienfreundlichen Wegen zertifiziert der DWV die „stadtwanderung“, das „kulturerlebnis“, das „naturvergnügen“ sowie „komfortwandern“. Dazu kommen das „winterglück“, die „traumtouren“ und die „entdeckertouren“.
Zertifizierte Betriebe und Regionen
Auch gastgebende Betriebe können sich zum „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ zertifizieren lassen. Knapp 1.300 Betriebe gibt es bundesweit, die sich so nennen dürfen. Sie haben sich auf aktive Gäste eingestellt. Hier gibt es nicht nur kompetente Beratung, sondern auch einen Hol- und Bringservice sowie die Möglichkeit, durchnässte Klamotten unkompliziert zu trocknen.
Derzeit gibt es acht „Qualitätsregionen Wanderbares Deutschland“. Hierfür wurden ganze Wandergebiete unter die Lupe genommen. Sie bieten ein Rundum-Sorglos Paket für Wandernde mit viel Service, ÖPNV, Unterkünften und Wegen. Bislang gibt es sieben Regionen in Deutschland, die den anspruchsvollen Anforderungen entsprechen. In Baden-Württemberg ist eine Region vertreten – nämlich die Qualitätsregion Nördlicher Schwarzwald.
Qualitätsinitiative ohne Wandervereine nicht möglich
Ein Qualitätssiegel ist für Gäste vor allem eine Orientierungshilfe. Sie können sicher sein, dass sie auf zertifizierten Wegen, Betrieben und Regionen eine angenehme Zeit verbringen und landschaftliche Höhepunkte erleben werden. Den Tourismusregionen hilft das Qualitätszeichen dabei, ihre wandertouristischen Angebote besser zu vermarkten und sich als Qualitätsmarke zu profilieren.
Ohne das Ehrenamt der Wandervereine wären solche Qualitätsinitiativen allerdings nicht möglich. Denn die Wegewartinnen und Wegepaten der Ortsgruppen bessern alljährlich die Markierung nach, schneiden Wege frei oder verlegen diese. „Ihre Arbeit macht viele Zertifizierungen überhaupt erst möglich“, betont Ute Dicks, Geschäftsführerin des DWV. Ein Beispiel: Als vor einigen Jahren die Zertifizierung des HW1 erneuert werden musste, verbrachte der Albvereins-Hauptfachwart für Wege, Gerhard Stolz, fast ein Jahr damit, große Teile des 360 Kilometer langen Wegs in Etappen abzulaufen, die Wegführung teilweise zu überarbeiten und Markierungen zu erneuern – unterstützt von vielen Wegewarten und Wegewartinnen aus den Ortsgruppen sowie seiner Frau Doris Sauter.
Fachliche Kompetenz und Nachhaltigkeit
Mit der Zertifizierung bauen Tourismusverbände, Kommunen und Wanderverbände Kompetenz auf, die die Qualität der Wegeinfrastruktur nachhaltig verbessert. Der DWV unterstützt dabei mit Schulungen vor Ort. Dazu kommt die Nachhaltigkeit, die „Wanderbares Deutschland“ fördert. Die jeweilige Region stellt sicher, dass das Wanderwegenetz und die touristische Vermarktung der Qualitätsregion dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen. Naturschutzbelange stehen ganz oben. Dies gilt besonders für die Lenkung von Besucherinnen und Besuchern mithilfe der Wege oder Wegenetze. Eine durchdachte Planung schützt wertvolle Biotope und reduziert den Nutzungsdruck. Dafür entscheidend ist, dass Wegepflege und Markierungen über die gesamte Zertifizierungsperiode gesichert sind.
Der älteste „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ ist übrigens der Eggeweg in Nordrhein-Westfalen. Er ist im Jahr 2004 als erster „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ zertifiziert worden und trägt diesen Titel seitdem ununterbrochen.
Herausforderungen für die Zukunft
Mit der Klimakrise verändern sich die Landschaften in Deutschland. Trockenheit in den Wäldern und Extremwetterereignisse machen vielen Wegen zunehmend zu schaffen. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die damit verbundenen neuen Energietrassen und Verkehrswege haben großen Einfluss auf die Wanderqualität vieler Regionen. Um dieses Thema zu bearbeiten hat der DWV ein vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt begonnen zum Thema „Klimaangepasste Qualitätstransformation. Lösungsansätze für vom Klimawandel beeinflusste Wanderinfrastruktur und ein digitales Qualitätsmonitoring“. Im Kern geht es darum, die Veränderungen der Landschaft durch Klimaschäden oder veränderte Wegeoberflächen schneller zu erfassen, zu bewerten und darauf zu reagieren. Früherkennung also – und dafür werden gerade digitale und georeferenzierte Systeme entwickelt.
Weitere Infos sowie alle zertifizierten Wege sind zu finden unter
www.wanderbares-deutschland.de
Jens Kuhr/Ute Dilg