Mit wenig Gepäck und viel guter Laune

Seit zehn Jahren sind Alexander Stotz, Michael Reck, Jens Schäfer und Oliver Stadtmüller auf den Hauptwanderwegen des Schwäbischen Albvereins unterwegs. Immer in der ersten Augustwoche ziehen sie los – mit leichtem Gepäck, guten Wanderstiefeln, wenig sportlichem Ehrgeiz, aber dafür mit viel guter Laune.

Michael Reck, Alexander Stotz, Oliver Stadtmüller und Jens Schäfer (v.l.n.r.) planen die nächste Wanderetappe bei einem gemütlichen Wochenende.

Vier Freunde unterwegs auf den Hauptwanderwegen des Schwäbischen Albvereins

Alexander Stotz nimmt seine Aufgabe als „Kaffeebeauftragter“ sehr ernst. Kurz nach Sonnenaufgang schält er sich aus dem Schlafsack, befüllt die Espresso-Kanne mit Wasser und Kaffeepulver und stellt sie auf den kleinen Gasbrenner. Seine drei Freunde öffnen erst ihre Augen, wenn ihnen der Kaffeeduft verführerisch in die Nase steigt. In zehn Jahren gemeinsamer Wanderschaft schleifen sich Routinen ein.

Früher Tour de France, heute Wandern auf der Schwäbischen Alb

Alexander Stotz, Michael Reck, Jens Schäfer und Oliver Stadtmüller sind Jugendfreunde. Aufgewachsen in der Nähe von Sigmaringen haben sie sich über die Jahrzehnte der Umzüge und der beruflichen Wanderschaft nie ganz aus den Augen verloren. Zu Geburtstagen oder bei Elternbesuchen liefen sie sich immer wieder über den Weg. Dazu kamen gemeinsame Trips von Alex und Oli – wie sie genannt werden – zur Tour de France. „Jan Ulrich live sehen“, sagt Oliver Stadtmüller. Doch irgendwann wurde ihnen die lange Autofahrt in die Pyrenäen zu viel. Warum also nicht vor der Haustüre wandern gehen?

Flipflops beim Wandern sind keine so gute Idee…

„Ausrüstungsmängel“ zu Anfang

Als erste Tour nahmen sie den Hauptwanderweg 1 – den Schwäbische Alb-Nordrandweg – in Angriff. Zuerst zu zweit. Eine Woche hatten sie sich freigeschaufelt von beruflichen und familiären Verpflichtungen. Sie wollten schauen, wie weit sie es denn schaffen würden. In Folgejahren stießen dann Michael Reck und Jens Schäfer dazu. Gestartet wurde am Endpunkt des Vorjahrs. Doch zuerst hieß es, Lehrgeld bezahlen: Viel zu viel Gepäck hatten sie dabei und „Micha“ spazierte gar mit Flipflops los. Eine Fußentzündung war die Folge – diese Etappe beendete die Gruppe drei Tage früher als geplant. Sie mieteten sich stattdessen in eine Pension ein. „Wir wollten Micha ja nicht unterwegs zurücklassen“, sagt Stadtmüller und grinst.

Wandern als Entschleunigung

Vier Jahre war die kleine Wandergruppe am Ende auf dem HW1 unterwegs. Etwa 120 Kilometer schaffen sie pro Woche. „Es geht uns nicht um sportliche Höchstleistungen“, erklärt Jens Schäfer. „Wir wollen eine Woche lang draußen sein und laufen.“ Und Michael Reck fügt hinzu: „Es gibt halt so viele schöne Aussichten unterwegs.“ Da könne es dann schon mal sein, dass sie an einem besonders lauschigen Plätzchen hängen blieben und nochmal ihre Kaffeekanne auspackten. Entschleunigung pur für vier Männer, die ansonsten ein bürgerliches Leben als Ärzte, Lehrer und Bauleiter führen.

Unterwegs auf dem HW1.

Hin und wieder eine Dusche

Ihr Gepäck haben die vier Wanderer mittlerweile perfektioniert: Drei Unterhosen, drei T-Shirts, Schlafsack, Isomatte, Regenschirm, Fotoapparat, Powerbank, die Kaffeeausrüstung, eine Tagesration Wasser und Wanderkarten des Schwäbischen Albvereins natürlich. Schließlich wollen sie nicht verloren gehen. Jens, der „Wurstbeauftragte“ der Gruppe, hat außerdem noch Proviant im Rucksack. Und jeder trägt gut eingelaufene Wanderstiefel an den Füßen. Die große Plastikplane schleppen sie abwechselnd. Denn häufig schlafen die Mitfünfziger draußen in der Natur, im Schlafsack auf der Plane. Ein Zelt wäre zu schwer und wild campen mit Zelt ist eh verboten. Oft suchen sich die vier Männer zum Schlafen kleine Schutzhütten im Wald, oder auch mal das Vordach eines Biergartens – mit Erlaubnis des Wirts natürlich. Hin und wieder muss allerdings auch eine Dusche sein. Dann nehmen sie sich unterwegs ein Zimmer in einer Pension.

Sonnenaufgang in der Natur

Für Oliver Stadtmüller ist das Übernachten im Freien immer wieder eine Überwindung. Die gutmütigen Witzeleien seiner Freunde nimmt er mit Humor: „Ich bin unser Sicherheitsbeauftragter“, sagt er augenzwinkernd. Gefragt nach seiner schönsten Erinnerung kommt dann aber doch eine „Schlaf-Episode“. „Auf dem HW1 haben wir in einer Nacht an einem Hang direkt gegenüber von Burg Lichtenstein übernachtet. Da aufzuwachen bei Sonnenaufgang, war einfach unglaublich“, schwärmt er. Interessante Begegnungen mit freundlichen Menschen und weniger freundlichen Wildschweinen, den ganzen Tag lang allein in Wald und Flur unterwegs auf der Schwäbischen Alb, schöne Einkehren und spektakuläre Ausblicke – die vier Männer sind in zehn Jahren Wanderschaft nicht nur gut 1.000 Kilometer gelaufen, es haben sich auch viele Erinnerungen und einige Wandernadeln des Schwäbischen Albvereins angesammelt.

Wandernadeln an der Kappe sind der Lohn für viele Stempel im Wanderpass.

Vier Hauptwanderwege sind geschafft

Denn die Freunde haben mittlerweile vier der Hauptwanderwege des Schwäbischen Albvereins abgelaufen: Den HW 1 von Donauwörth nach Tuttlingen, den HW 10 von Pforzheim nach Lorch, gleich anschließend den HW 7 von Lorch nach Friedrichshafen und zuletzt den HW 5 von Pforzheim über den Schönbuch und Oberschwaben nach Isny im Allgäu. Anfang August 2020 – im elften Wanderjahr – heißt der Startpunkt wieder Donauwörth. Die vier wollen den HW 2 – den Schwäbische Alb Südrand-Weg – in Angriff nehmen. Ein „Heimspiel“ quasi, denn in etwa drei Jahren werden sie auf einer ihrer Schlussetappen an Sigmaringen vorbeikommen.

Ute Dilg